PETITION GAV ARCHITEKTUR

Dringend gesucht: Offene Wettbewerbe in Basel

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Zwei Jahre ist es her. Im Sommer 2022 wurden in Basel letztmals offene Wettbewerbe ausgeschrieben. Namentlich: Walkeweg Baufeld C+D und Schliengerweg. Seither warten viele Basler Architekturbüros vergebens auf ein solches Verfahren. Zuletzt hatte der Kanton lediglich Wettbewerbe im selektiven Verfahren ausgeschrieben. Was sind die Gründe dafür? Wir haben nachgefragt.

Es war ein überdeutliches Resultat. Satte 93 Prozent votierten für «Ja». Unsere Frage, ob es in Basel wieder vermehrt offene Wettbewerbe geben sollte, hatten insgesamt 786 Personen beantwortet. Der Schuh drückt offensichtlich. Wir haben beim Kanton nachgefragt, weshalb zuletzt keine offenen Wettbewerbe mehr stattfanden. Jonathan Koellreuter, der Leiter des Portfoliomanagements bei Immobilien Basel-Stadt, liefert folgende Erklärung: «Beim offenen Wettbewerb Walkeweg haben weniger als 20 Büros ein Projekt eingereicht, was auch ein Hinweis darauf ist, dass die Branche stark ausgelastet ist.» Beim Wettbewerb am Schliengerweg nahmen insgesamt 46 Büros teil. Eine ansehnliche Zahl. Leider wurden die beiden offenen Wettbewerbe innerhalb von wenigen Wochen ausgeschrieben. Das hat viele junge Büros dazu bewogen, sich für den einen oder anderen zu entscheiden. Es ist schade, dass dem Kanton damals kein besseres Timing glückte. Grundsätzlich ist einzuwenden: Zwanzig Beiträge sind bei einem offenen Wettbewerb eine genügende Zahl. Entscheidend ist die Qualität. Die war am Walkeweg definitiv ausreichend, wie das Siegerprojekt von Parabase beweist.

Wettbewerb Hochbergerstrasse 158: Siegerprojekt © Kooperative E45

Für viele junge Büros ist und bleibt der offene Wettbewerb der einzige Weg, sich gegen eine gestandene Konkurrenz zu behaupten. Es stellt sich die Frage, ob der Kanton genügend für die Nachwuchsförderung unternimmt. Koellreuter sagt: «Die Förderung von Nachwuchsbüros liegt im Interesse von IBS. Die Förderung muss nicht zwingend mit offenen Wettbewerben geschehen. Auch die beiden Wettbewerbe mit Präqualifikation, welche momentan laufen (Messehalle 3 und Hochhaus Rank) sehen den Einbezug von Nachwuchsbüros vor. Die Chance für die Nachwuchsbüros vergrössert sich in diesem Fall sogar, da die Teilnehmerzahl beschränkt ist.» Es ist fraglich, ob bei ihrem ersten Wettbewerbserfolg wenig bekannte Büros – wir denken an Parabase, Guerra Clauss Garin oder Kooperative E45 – die hohe Hürde einer Präqualifikation, wo Referenzen immer eine Rolle spielen, überstanden hätten. Dank dem offenen Wettbewerb schafften alle drei Büros jedoch den ersten Schritt. Der «Aufruf von Einsiedeln», der sich für eine Stärkung der Wettbewerbskultur ausspricht, formuliert es so: «Es gilt zu verhindern, dass Wettbewerbsverfahren nur noch Teilnehmern mit Erfahrung in der entsprechenden Baugattung zugänglich sind. Diese ist kein Garant für architektonische Qualität.» Unterzeichnet wurde der Aufruf von bekannten Persönlichkeiten wie Harry Gugger, Christian Kerez, Marcel Meili oder Elli Mosayebi.

Wettbewerb Baufeld C + D © PARABASE

Was bedeutet die aktuelle Situation für junge Büros in Basel? Wir haben bei NOUS Architecture nachgefragt. Das Duo bestehend aus Steffen Kunkel und Eleni Zaparta macht einen unkonventionellen Vorschlag: «Eine weitere, vielleicht radikale Lösung wäre das Umkehren von Wettbewerben mit Präqualifikation. So könnten Wettbewerbe bewusst an kleine bzw. junge Büros gerichtet werden, die Projekte oder Mitarbeiterstrukturen nur bis zu einer gewissen Grösse vorweisen dürfen und etablierte Büros ausgeschlossen werden.» Ausserdem wünschen sich die beiden vermehrt kleinere Architekturwettbewerbe, die mit einem realistischen Arbeitsaufwand verbunden sind: «Für offene Wettbewerbe sollten kleinere Projekte angedacht werden. In der Vergangenheit gab es verschiedene eingeladene Wettbewerbe für kleine Gebäudetypen, wie Kindergärten. Gerade solche Projekte sollten aufgrund des Leistungsumfangs und der Komplexität für den offenen Wettbewerb bestimmt sein.» Das macht Sinn. Ökonomisch sind grosse Wettbewerbsaufgaben – zum Beispiel für eine ganze Wohnüberbauung – für kleine Büros kaum zu stemmen. Hier beginnt oft die Selbstausbeutung. Was sagt Koellreuter zur Forderung nach kleineren Wettbewerben? Er ist skeptisch: «Für kleinere Aufgaben wie z.B. Umbauten eignen sich klassische Wettbewerbsfahren selten. In diesen Fällen ist das Planerwahlverfahren vorzuziehen, welches in aller Regel einen hoch gewichteten Zugang zur Aufgabe beinhaltet, also auch einen entwerferisch, konzeptionellen Teil. Insbesondere für Nachwuchsbüros mit beschränkten personellen Ressourcen für die Akquisition, eignen sich diese Verfahren sehr gut, da der Aufwand für Auftragnehmer tiefer ist als bei klassischen Wettbewerbsverfahren.» Dem gilt es zu entgegnen, dass man sich einerseits über das Honorar konkurrenziert, was nicht zielführend ist, und andererseits oft keine unabhängige Fachjury die Eingaben beurteilt. Ein architektonischer Diskurs, der für die Teams nachvollziehbar ist, findet bei einem Planerwahlverfahren nur bedingt statt. Kleine offene Wettbewerbe wären wünschenswert. Der Kanton sollte das als Mittel zur Nachwuchsförderung in Betracht ziehen.

Visualisierung Projekt «L’Eclisse» Schliengerweg © Solanellas Van Noten Meister

So viel ist klar: Es braucht Varianz! Grundsätzlich ist es sinnvoll, wenn viele verschiedene Verfahren zur Anwendung kommen. Das sieht auch Koellreuter so: «Gerade die mehrfach ausgezeichneten Projekte Maiengasse (offener Wettbewerb), Elys (Planerwahlverfahren) und Hirtenweg (TU-Wettbewerb) zeigen, dass die gezielte Anwendung des richtigen Verfahrens wichtig ist.» Dem widerspricht die aktuelle Tendenz, dass nur selektive Wettbewerbe ausgeschrieben werden. Dazu trage auch der zunehmende Schwierigkeitsgrad bei: «Generell werden die Aufgabenstellungen immer komplexer, weshalb sie in einstufigen offenen anonymen Verfahren oftmals nicht ausreichend für einen belastbaren Entscheid bearbeitet werden können. Deshalb müssen auch neue Wege begangen werden können.» Tatsächlich sind Programme zunehmend überladen. Die Anforderungen sollten wieder vereinfacht werden. Da sind alle Bauherrschaften in der Pflicht. Steffen Kunkel und Eleni Zaparta wünschen sich einen grundsätzlichen Kulturwandel: «Gleichzeitig muss der allgemeine Aufwand reduziert werden. Offene Wettbewerbe könnten von unserer Perspektive aus wieder konzeptioneller gedacht werden. Allgemein beginnt eine Jurierung mit der Beurteilung der städtebaulichen Dispositionen.» Vertiefte Angaben zur Haustechnik oder Konstruktion könnten erst zu einem späteren Zeitpunkt als vergütete Leistungen erfolgen: «Dies könnte sich dementsprechend in zweistufigen Verfahren wiederspiegeln. Nicht nur der eingeladene Wettbewerb zum Nauentor bedeutete einen extremen personellen und finanziellen Aufwand für die teilnehmenden Kooperationspartner, sondern auch die offenen Wettbewerbe für das Entwicklungsareal Walkeweg oder das Pilotprojekt Schliengerweg Netto Null 2040 sind als Beispiele zu nennen.» Der «Aufruf von Einsiedeln» bringt es treffend auf den Punkt:  «Alle Architekturwettbewerbe sind Ideenwettbewerbe. Das Verfahren dient der Ideenfindung.» Voilà.

Wettbewerb Botnar © Guerra Clauss Garin Architekten

Fazit: Es braucht unterschiedliche, ausgewogene Wettbewerbe. Das heisst aber auch, dass alle – auch die offenen – Verfahren in regelmässigen Abständen stattfinden sollten. Der Verweis auf die laufenden Wettbewerbe mit Präqualifikation reicht nicht. Die Selektion für den Neubau des Wohnhochhauses an der Rankstrasse hat das gezeigt. Unbekannte Nachwuchsbüros hatten keine Chance. Es ist unbestritten: Offene Wettbewerbe tun unserer Architekturstadt gut. Das es auch im kleinen Massstab geht, beweist die Gemeinde Riehen: Hier findet dieses Jahr ein offenes Verfahren für eine überschaubare Bauaufgabe – Freizeitzentrum und Kindergarten – statt. Rund 50 Teams haben sich angemeldet. Von Überlastung kann keine Rede mehr sein. Gerne erinnern wir an das Plädoyer von Emanuel Christ für mehr Offenheit für den Architekturwettbewerb: «Er braucht Auslober, die sich überraschen lassen wollen. Und er braucht Jurymitglieder und Architekten, die das Risiko auf sich nehmen, eine unkonventionelle Lösung zu vertreten.» Kurz: Er braucht mehr Mut.

Artikel: Lukas Gruntz


Quellen:

 

 

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